Die Ölpest

Erdöl ist nicht nur ein wertvoller Rohstoff – es ist auch ein Cocktail

von Gefahrenstoffen. Gesundheitsgefährdende, teils sogar Krebs er-

regende Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff sind darin

enthalten: zum Beispiel so genannte "polyzyklische

Aromaten" oder Substanzen wie Benzol oder

Naphtalin. Etwa 1,3 Millionen Tonnen

Erdölkohlenwasserstoffe landen jedes Jahr im Meer

das meiste durch chronische, schleichende

Verschmutzung wie Eintrag durch die Flüsse oder

ganz normaler Schiffsbetrieb. Nur 8 %, durchschnittlich 100.000 Tonnen, laufen jährlich bei

Tankerunfällen aus. Doch die Folgen für die Meeresumwelt sind bei so einem Unfall katastrophal.

Der Fall Exxon Valdez

Die Havarie der Exxon Valdez vor der Küste Alaskas am 24. März 1989 – der

größte Öltanker-Unfall in der Geschichte der USA – brennt sich besonders ins

Gedächtnis der Öffentlichkeit: Ein vorher fast  unberührtes, extrem empfindliches

Naturgebiet wird mit 40.000 Tonnen Rohöl verseucht. Rund

250.000 Seevögel sterben, 2.800 Seeotter und mehrere hundert

Robben – und das sind nur die augenfälligsten Opfer. Das ge-

samte Ökosystem ist auf Jahre ruiniert: Die Bedingungen für die

natürliche Selbstreinigung des Meeres und der Küste sind dort

schwierig. Zudem verschlimmern gravierende Fehler bei der

Ölbekämpfung die Folgen des Unfalls.

1. Fehler direkt nach dem Unfall: Untätigkeit

Die See ist ruhig, als das Öl ausläuft und bleibt es auch noch drei

Tage lang – optimale Bedingungen für die Ölbekämpfung auf See.

Der Ölteppich ist zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise klein, nur 7 km

lang. Ölbekämpfungsschiffe könnten ihn mit Ölsperren eindämmen

und dann absaugen – Maßnahmen, die bis

Windstärke 6 gut funktionieren. Aber vor Ort ist man

auf so einen Unfall nicht vorbereitet: Weder die nö-

tige Ausrüstung, noch genügend Personal gibt es

dort. In dieser Phase könnte man den Tanker auch

noch gut leer pumpen und abschleppen und damit

das Schlimmste verhindern. Aber beim verantwortlichen Ölkonzern Exxon will niemand die Kosten für

diese Aktion absegnen – die Entscheidung wird vom einem zum anderen weitergereicht. Die einzige,

die in dieser Zeit Öl aus dem Meer entfernt, ist die Natur selbst: Rund 25 % des auslaufenden Öls, die

leicht flüchtigen Bestandteile, verdunsten. Nicht so viel wie bei anderen Unfällen, dort können es je

nach Ölsorte und Temperatur bis zu 60 % sein.

Der Sturm

Nach drei Tagen schlägt das Wetter um und die Chance das Öl auf

See zu bergen ist vertan. In manchen Fällen kann ein Sturm dem

Meer bei der Selbstreinigung helfen. Wind und Wellen zerschlagen

das Öl in feinste Tröpfchen und verteilen es in der Wassersäule. Ist

die  Strömung stark genug, wird es dann ins offene

Meer getragen und entsprechend verdünnt. In die-

sem Zustand können Bakterien das Öl auch leichter

abbauen. Aber die Exxon Valdez liegt zu nah vor der

Küste und der Wind weht zum Land hin. Der

Ölteppich dehnt sich rasch auf eine Länge von 700

km aus und legt sich über Tiere und Pflanzen.

2. Fehler bei der Ölbekämpfung an Land: falsche Methoden

Alle Versuche, das Öl von der Küste fernzuhalten, schlagen fehl. Im Sturm unterwandert es  die

Ölsperren, die nun doch ausgebacht worden sind. Chemikalien, die den Ölteppich auflösen sollen –

sogenannte  Dispergatoren – können wegen des schlechten Wetters nicht ausgebracht werden. Ein

großer Teil des Erdöls strandet schließlich und verseucht die Küste Alaskas auf einer Länge von über

2.000 km. Exxon übernimmt die Federführung bei den Reinigungsarbeiten und hat dabei vor allem ein

Ziel: das Öl möglichst schnell unsichtbar zu machen. Mit Hochdruckreinigern spritzen sie das Öl mit

heißem Wasser von den verschmutzten Felsen wieder ins Wasser zurück. Dadurch wird das Öl aber

nicht entfernt, sondern nur verschoben. Die nächste Flut spült es wieder an Land.Zusätzlich treiben

die Hochdruckreiniger das Öl tief in den Boden. Dort liegt es unter Licht- und Luftabschluss und kann

nur sehr langsam biologisch abgebaut werden. Zudem tötet das heiße Wasser an den Stränden auch

die wenigen Pflanzen und Tiere ab, die das Öl überlebt haben. Die Wiederbesiedlung "behandelter"

Strände geht deshalb sehr langsam voran und die Artenzusammensetzung ist verändert.

3. Fehler: Sinnvolle Maßnahmen werden falsch durchgeführt

Die einzigen, die das Öl an der Küste wirklich verschwinden lassen

können, sind Öl abbauende Bakterien. Sie zählen zur natürlichen

Bakterienflora, aber ihre Dichte ist in unbelasteten Gebieten gering.

Um das Wachstum dieser Bakterien anzukurbeln, bringen die

Reinigungstrupps Dünger aus. Eigentlich ist das

eine sinnvolle Maßnahme, die vor allem in empfind-

lichen Ökosystemen die Selbstreinigung der Küste

schonend unterstützen kann. Aber die Düngung

muss an die Bedürfnisse der "Ölfresser" angepasst

werden. Denn die Zusammensetzung dieser

Bakterienflora ändert sich im Laufe des Abbauprozesses und dementsprechend auch ihr

Nährstoffbedarf. Außerdem brauchen die Öl abbauenden Bakterien unbedingt Sauerstoff, und der ist

tiefer im Boden rasch aufgebraucht, wenn nicht zusätzlich belüftet wird. All dies wird bei den

Düngeaktionen in Alaska nicht berücksichtigt und deshalb bleiben sie ohne Erfolg.

Folgen und Lehren

Als Konsequenz aus der Katastrophe sind an der Südküste Alaskas jetzt Einsatzzentralen der

Küstenwache für die Ölbekämpfung rund um die Uhr in Bereitschaft. In regelmäßigen Abständen gibt

es Übungen für den Ernstfall. Auch die Sicherheitsbestimmungen für die Durchfahrt von Tankern

durch die Soundgebiete wurden drastisch verschärft. Nach dem Unfall der Exxon Valdez wurden die

Bemühungen um Tankersicherheit, Ölbekämpfungsmaßnahmen und die Forschung über ökologische

Folgen von Ölkatastrophen weltweit intensiviert. Die beste Bekämpfung von Ölunfällen ist und bleibt

aber ihre Vermeidung. Doch das Risiko bleibt, solange Erdöl in Tankern über die Weltmeere transpor-

tiert wird.

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